«Es kommt schon gut!»
Brigitte Baumgartner leitete die Heilpädagogische Tagesschule visoparents rund neun Jahre lang. Per Ende Mai verliess sie die Schule. Sie blickt auf eine schöne, aber auch turbulente Zeit zurück, die geprägt war von Veränderungen.
Brigitte Baumgartner, du hast deine Stelle als Schulleiterin nach neun Jahren verlassen. Zeit, zurückzublicken. Wie war das damals, als du im Juli 2014 die Schulleitung übernommen hast?
Brigitte Baumgartner: Ich wusste bereits im März, dass ich die Stelle erhalte, und freute mich sehr auf diese Aufgabe. Ich wusste aber auch, dass sehr viele Strukturänderungen anstehen, die ich aufgleisen und umsetzen muss. Das reizte mich, da ich herausfordernde Aufgaben mag. Als der Stellenantritt dann aber näher kam, war ich schon sehr nervös. Mein erstes Kind war damals nur wenige Monate alt, daher war auch privat vieles neu. Oft arbeitete ich bis spätabends, manchmal nahm ich mein Baby auch mit an Sitzungen, da sich die Betreuung nicht anders organisieren liess und ich anfangs weit über mein Pensum hinaus arbeiten musste, um dies alles zu bewältigen. Die neue Funktion forderte tatsächlich viel von mir ab.
Kurz nach Stellenantritt hast du die gesamte Schule umstrukturiert. Weshalb?
Mein Vorgänger war über zwanzig Jahre Schulleiter an der Tagesschule. Diese war damals sehr musikalisch und funktionierte eigentlich sehr gut so, wie sie war. Ein halbes Jahr nach Stellenantritt musste ich aber unser Betriebskonzept beim Volksschulamt einreichen, damit wir die Betriebsbewilligung weiterhin erhielten. Und dafür musste ich Veränderungen vornehmen.
Welche?
Ich musste das Rahmenkonzept komplett überarbeiten sowie Umstrukturierungen vornehmen. Das heisst, ich musste allen Mitarbeitenden eine Änderungskündigung aussprechen. Es gab damals Mitarbeitende, die die Aufgaben, die sie erledigten, aufgrund ihrer Ausbildung eigentlich gar nicht hätten ausführen dürfen. Diese Personen musste ich in andere Bereiche einteilen und ihnen neue Verantwortungen zuweisen. Ich strukturierte zudem die Klassen neu nach Alter. Dass wir danach die Betriebsbewilligung erneut erhielten, war ein schöner Erfolg, aber es war ein taffer Einstieg.
Wie haben sich die Ansprüche an die heilpädagogische Schule in den letzten neun Jahren verändert?
Als ich die Schule übernommen habe, waren die Schülerinnen und Schüler mit komplexen Behinderungen von offizieller Seite her lernzielbefreit. Das änderte sich, als der Lehrplan 21 eingeführt wurde. Seither müssen wir uns nach dessen Zusatz für komplexe Behinderungen richten. Das finde ich gut und ist keine grosse Herausforderung für uns, da wir auch vorher schon zielgerichtet und ressourcenorientiert gefördert und unterrichtet haben.
Wie nahe warst du jeweils den zwanzig Schülerinnen und Schülern sowie den Mitarbeitenden?
Sehr nahe. Die Schule ist ja sehr klein und mein Büro befand sich im zweiten Stock unter dem Dach. Auf meinem Arbeitsweg ging ich sozusagen durch die gesamte Schule hindurch und hielt meistens mit den Mitarbeitenden und den Schüler:innen einen kurzen Schwatz. Dadurch war ich immer auf dem Laufenden. Auch die Eltern kannte ich alle persönlich.
Welche schwierigen Momente sind dir in Erinnerung?
Wir hatten immer wieder Kinder an unserer Schule, denen es gesundheitlich sehr schlecht ging. Ich erinnere mich auch an Kinder mit degenerativen Krankheiten, die plötzlich grosse Rückschritte machten. Während meiner Zeit als Schulleiterin ist ein Kind aus unserer Schule gestorben. Das gehört bei dieser Arbeit leider dazu, war aber für mich eine besonders schwierige Situation. Denn einerseits war ich als Schulleiterin und Mutter selber betroffen. Andererseits musste ich in meiner Rolle meine Mitarbeitenden auf fangen und dafür sorgen, dass es meinem Team gut geht.
Welche Eigenschaften braucht eine Schulleiterin?
Organisationstalent, dicke Haut und ein hohes Mass an Energie. Man muss aber auch damit umgehen können, dass man Wissen hat, das man noch nicht weitergeben kann. Eine gehörige Portion an Gelassenheit und Ruhe kann auch nicht schaden. Und man muss die Zuversicht haben, dass alles gut kommt.
Bist du ein positiv eingestellter Mensch?
Ja, absolut. Das ist aber auch sehr wichtig. In einer heilpädagogischen Schule gibt es immer wieder Situationen, die für Mitarbeitende oder Schüler:innen schwierig sind. Und in solchen Momenten braucht es eine Person, die Zuversicht vermittelt und sagt: «Es kommt schon gut!»
Du wirst ab Herbst als Fachperson Sonderpädagogik beim Volksschulamt in der Abteilung besondere Förderung arbeiten. Was kommt da auf dich zu?
Ich werde unter anderem Aufsichtsbesuche bei heilpädagogischen Schulen machen, kontrollieren, ob die Schulen die Vorgaben erfüllen, und Bewilligungen erteilen. Ich weiss noch nicht, in welcher Region im Kanton Zürich ich zuständig sein werde, sicher ist aber, dass ich nicht in der Tagesschule visoparents Aufsichtsbesuche machen werde. Das war mir wichtig.
Warst du bei deinem Abschied nicht wehmütig?
Natürlich ging ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die Tagesschule visoparents war auch ein Stück weit «meine Schule», da ich sie von Grund auf neu konzipiert, aufgebaut und strukturiert habe. Die Mitarbeitenden und die Schülerinnen und Schüler liegen mir nach wie vor sehr am Herzen und ich wünsche allen nur das Beste für die Zukunft. Nun ist es Zeit für etwas Neues. Meinem Nachfolger Roger Neeracher wünsche ich einen guten Start und viel Erfolg. Er wird die Stelle Mitte August übernehmen.
Interview: Regula Burkhardt Fotos: RB und Tina Steinauer
Brigitte Baumgartner
Ehemalige Leiterin Tagesschule visoparents
Brigitte Baumgartner (44) leitete die Heilpädagogische Tagesschule visoparents von 2014 bis 2023. In dieser Zeit führte sie eine grosse Reorganisation durch, verantwortete einen Erweiterungsbau und machte die Schule fit für die Zukunft.