Hörbehinderung:
Wege zur gelingenden
Kommunikation
Erhält ein Kind die Diagnose «schwerhörig» oder «gehörlos», stellt dies die Eltern vor grosse Herausforderungen. Wie können wir es fördern? Wie sollen wir gemeinsam kommunizieren? Und welche Hörhilfen gibt es? Oft tragen eine gute Vernetzung und Gespräche mit Gleichbetroffenen dazu bei, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Wenn ein Kind schlecht hört, ist dies für dessen Familie und Angehörige eine grosse Herausforderung. Mit der Diagnose «schwerhörig» oder «gehörlos» bricht für hörende Eltern meist eine Welt zusammen. Sie müssen sich damit abfinden, dass ihr Kind niemals so hören wird wie sie selbst. Dieses Gefühl entspricht dem der Trauer. Und es folgt ein Trauerprozess, in dem die Eltern von der Vorstellung eines hörenden Kindes Abschied nehmen müssen. Gleichzeitig müssen die Eltern stark sein – für sich und ihr Kind. Es gilt, die Herausforderung anzunehmen und sich mit der neuen Situation so gut wie möglich zu arrangieren.
Neu betroffene Eltern stellen sich viele Fragen, beispielsweise wie sie mit ihrem hörbehinderten Kind kommunizieren sollen. Es gibt heute viele Methoden der Kommunikation. Dazu zählen die Lautsprache, die Gebärdensprache, die Ergänzte Laut-Sprache (ELS) sowie durch Bilder unterstützte visuelle Kommunikation. Die verschiedenen Methoden konkurrenzieren sich nicht, vielmehr ergänzen sie sich für eine optimale Sprachentwicklung der betroffenen Kinder. Weniger die Methode zählt, viel mehr dass das Kind mit seiner Familie und seinem Umfeld überhaupt kommuniziert und seine Wünsche und Bedürfnisse ausdrücken kann. Dabei variiert die Kommunikationsmethode von Familie zu Familie sehr stark.
Tipps zum Umgang mit Hörbehinderung
Damit die Kommunikation mit einer Person mit Hörbehinderung gelingt, sind direkter Blickkontakt zur schwerhörigen Person und langsames, deutliches Sprechen wichtig. Oft lesen hörbehinderte Menschen das Gesprochene von den Lippen ab.
Beim Fernsehen unterstützen eingeblendete Untertitel das Kind mit einer Hörbehinderung beim Verstehen. Zusätzlich fördern sie die Lese- und Schreibkompetenz sowie das Sprachverständnis. Das Schweizer Fernsehen untertitelt heutzutage die meisten Sendungen.
Vielfältige Möglichkeiten der Kommunikation
Insgesamt hat sich die Kommunikation für hörbehinderte Kinder positiv verändert. Noch vor wenigen Jahren wurde die Gebärdensprache kaum akzeptiert oder genutzt – sie war nicht anerkannt. Heute bildet sie einen wichtigen Bestandteil der Identitätsfindung und wird vermehrt gelernt und angewandt. In einzelnen Kantonen bieten Schulen auch bilinguale Sprachförderung, das heisst Gebärdensprache und Lautsprache, an. Insbesondere Schulen in der Westschweiz bieten zusätzlich zur Laut- und Gebärdensprache die Ergänzte Laut-Sprache (ELS) an. Sie ergänzt die Lautsprache und erfolgt durch Handformen in Nähe des Gesichtes. Somit ermöglicht sie die visuelle Wahrnehmung der nicht sichtbaren Hörinformationen. Mit dem Lippenbild des Gesagten und den ELS-Handformen werden Mehrdeutigkeiten aus der Welt geschafft und die Kommunikation erleichtert.
Viele Familien verwenden auch Fotos und Piktogramme und teilen ihrem Kind so Tagesabläufe oder Freizeitaktivitäten mit. Auf diese Weise sehen die Kinder, wohin der nächste Ausflug geht, sollten sie es aufgrund ihrer Hörbehinderung nicht verstanden haben. Smartphones bieten heutzutage ebenfalls die Möglichkeit, schnell Fotos oder Informationen herunterzuladen, die dem Kind als Vorbereitung auf den Ausflug gezeigt werden können.
Hörhilfen – je früher, desto besser
Neben der Kommunikation ist eine rasche technische Versorgung mit Hörgeräten wichtig. Sie werden beim Kleinkind bereits mit wenigen Monaten angepasst. Das Cochlea-Implantat beispielsweise, ist eine technisch ausgereifte Hörhilfe für Personen, denen herkömmliche Hörgeräte wenig oder keinen Nutzen bringen, weil sie zum Beispiel gehörlos sind. Bei Kindern werden sie heute oft schon sehr früh implantiert. Für die Eltern ist es erfahrungsgemäss eine schwierige Entscheidung, ob ihr Kind ein Cochlea-Implantat erhalten soll. Es braucht Zeit und Energie und meist Gespräche mit anderen betroffenen Eltern, um diesen Weg guten Mutes zu gehen.
Kinder und Jugendliche gut begleiten
In den meisten Kantonen unterstützt und fördert der Audiopädagogische Dienst (APD) Kinder mit Hörbehinderung schon frühzeitig. Die Eltern werden mit einbezogen und erfahren, wie sie ihr Kind im Alltag optimal unterstützen können. Von klein auf gefördert, besuchen betroffene Kinder und Jugendliche in der Schweiz heute meist die Regelschule. Trotzdem verstehen die Kinder nach Aussagen von Fachleuten rund ein Viertel des Gesprochenen nicht – was sich in der Schule, aber auch bei Interaktionen, beispielsweise auf dem Pausenplatz, bemerkbar macht. Dadurch, dass Betroffene nicht alles mitbekommen, fühlen sie sich schnell ausgegrenzt und nehmen eine Randposition ein – meist leiden sie still vor sich hin. Damit sich hörbehinderte Kinder ernst genommen und in der Klasse getragen fühlen, sollen sie sich melden, wenn sie etwas nicht verstehen. Ausserdem können Lehrpersonen sie unterstützen, indem sie ihnen mehr Pausen gewähren, damit sie ihren Hörstress reduzieren können.
Text: Yvonne Widmer, Co-Geschäftsleiterin Schweizerische Vereinigung der Eltern hörgeschädigter Kinder
Fotos: zV
Austausch mit Gleichbetroffenen hilft
Die Schweizerische Vereinigung der Eltern hörgeschädigter Kinder SVEHK kennt die Gegebenheiten in den verschiedenen Regionen und ist mit öffentlichen Institutionen und Organisationen im Bereich Hörbehinderung bestens vertraut. Die Regionalgruppen der SVEHK bieten Eltern und Kindern an, sich mit Gleichbetroffenen zu vernetzen und Informationen und Erfahrungen auszutauschen. Der Kontakt mit anderen Kindern mit einer Hörbehinderung ist wertvoll und stärkt das Selbstbewusstsein von Betroffenen oft wesentlich.
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