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Fokus: Kommunikation

Jung trifft Alt

Im Rahmen des Hopp-la-Projekts besuchen die Kinder der Kita Kinderhaus Imago in Bar regelmässig die Bewohnerinnen und Bewohner eines Pflegezentrums. So kommen die jüngste und die älteste Generation miteinander in Kontakt und lernen sich gegenseitig kennen und schätzen. Ein Treffen, von dem beide Seiten profitieren.

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Jung trifft Alt

Im Rahmen des Hopp-la-Projekts besuchen die Kinder der Kita Kinderhaus Imago in Baar regelmässig die Bewohnerinnen und Bewohner eines Pflegezentrums. So kommen die jüngste und die älteste Generation miteinander in Kontakt und lernen sich gegenseitig kennen und schätzen. Ein Treffen, von dem beide Seiten profitieren.

Es ist ein warmer Tag, der Montag, 19. Juni 2023. Ich packe die letzten paar Sachen zusammen, die ich für das Aktivierungsprojekt benötige. Ich bin Martina vom Kinderhaus Imago in Baar, angehende Sozialpädagogin HF und Hauptverantwortliche für das Aktivierungsprojekt Jung trifft Alt, welches auf Initiative von Sandra ins Leben gerufen wurde. Sandra arbeitet bei der Aktivierung im Pflegezentrum Baar und hat eine Ausbildung zur Hopp-la-Leiterin gemacht. Das Ziel des Aktivierungsprojektes Hopp-la ist es, die ältere und die junge Generation zusammenzubringen und mittels Bewegungs und Gesundheitsförderung zu verbinden. «Also, Kamera habe ich, die Wannen zum Plantschen sind bereit …», murmle ich vor mich hin. Hinter mir her zotteln drei aufgeregte Bären-Bande-Kinder und drei Kinder von der Gruppe Bärentätzli. Sie freuen sich bereits darauf, rüber ins Pflegezentrum zu gehen. Denn heute bekommen die Projektteilnehmenden auch noch Besuch von einem Sozialhund und dessen Halterin. Als endgültig alle Siebensachen gepackt sind, geht es los.

Wasserschlacht zwischen den Generationen

Wir sind draussen, hinter dem Pflegezentrum, verabredet. Als die ersten Senior:innen eintreffen, beäugen die Kinder neugierig einen Mann im Rollstuhl. «Wisst ihr noch, wie dieser Mann hier heisst?», frage ich. Die älteren Kinder denken nach und schütteln dann den Kopf. «Wer getraut sich, ihn zu fragen?» Das älteste Kind geht zum Mann hin und fragt: «Wie heisst du?» «Thomas», antwortet dieser. Inês kommt zurück, teilt ihr Wissen mit der restlichen Gruppe und wir begrüssen Thomas.

Nun stellen wir mit den Kindern die Wannen auf. Nach und nach treffen weitere ältere Leute ein. Wir orientieren uns kurz: Welche Kinder sind neu dabei, welche Seniorinnen und Senioren kennen wir noch nicht? Wir stellen uns gegenseitig vor. Zu guter Letzt treffen auch noch Hund Yra und dessen Halterin ein. Die Bewohner:innen des Pflegezentrums kennen die beiden bereits. Einigen Kindern hingegen ist der Hund nicht geheuer, dank gutem Zureden und Spielen ist das Eis aber bald gebrochen.

«Wotsch au trenke?»

Aktivierungstherapeutin Annelise hat heute Wasserpistolen mitgebracht. Frau T. bespritzt damit die Kinder. Sie spricht nur Türkisch. Bei den ersten Treffen hat sie die Kinder regelrecht mit einem türkischen Sprechschwall überschwemmt. Heute nimmt sie vermehrt nonverbalen Kontakt zu ihnen auf. Die Kinder lassen sich von ihr in eine waschechte Wasserschlacht verwickeln. Eine Seniorin beobachtet das Ganze lächelnd und erzählt mir von ihren Enkelkindern und Urenkelkindern.

Das wilde Treiben macht durstig und die Kinder wollen trinken. Ich bitte Tim (3 Jahre alt), auch bei den Seniorinnen und Senioren nachzufragen, ob sie gerne etwas zu trinken möchten. So geht er mit einem gefüllten Becher zu allen hin: «Wotsch au trenke?» Einige bejahen, einige verneinen. Wieder andere hören die Frage nicht, andere verstehen sie nicht. Wir sind nun zum vierten Mal im Pflegezentrum. Die verbale Kommunikation verläuft immer reibungsloser. Trotzdem: Wir müssen uns noch immer aneinander gewöhnen und besser kennenlernen. Wie laut muss ich sprechen, damit mich Herr xy versteht? Wie muss ich die Sätze formulieren, damit Frau yz weiss, was ich will?

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Ein Kind aus der Kita in Baar bietet einer Seniorin zu trinken an.

Spaziergang mit Vreni

Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, wie Ramon sich am Rollstuhl einer Dame zu schaffen macht. «Was machst du?», frage ich. «Spazieren», antwortet er. «Da musst du Annelise (Aktivierungsfachfrau) fragen, ob du mit Vreni spazieren gehen kannst.» Ich deute in die Richtung von Annelise. Ramon geht zu ihr hin. Er hat die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung (ASS) und sich auszudrücken fällt ihm manchmal schwer. Deshalb begleite ich ihn. «Annelise. Ich möchte spazieren.» Annelise runzelt die Stirn.

«Du musst sagen, dass du mit Vreni gehen willst», flüstere ich ihm zu. «Mit Vreni spazieren», flüstert Ramon. «Gerne, ich begleite dich», sagt Annelise und macht sich mit Vreni und Ramon auf den Weg, einige Runden um das Blumenbeet zu drehen. Ob es der Dame im Rollstuhl genauso viel Spass macht wie Ramon, ist nicht ganz klar. Sie sitzt ausdruckslos in ihrem Rollstuhl und nestelt wie immer an einem Taschentuch herum.

Der Aufbruch erfolgt unvermittelt, als der Himmel sich plötzlich verdunkelt und die ersten Regentropfen vom Himmel fallen. Schnell bringen die Pflegenden alle ins Haus. Wir helfen den Kindern, ihre Schuhe anzuziehen, und sammeln die Pappbecher ein. Der Abschied verläuft unter diesen Umständen schnell: wir bedanken uns und winken. Auf das gemeinsame Singen verzichten wir heute ausnahmsweise.

Freude bei Jung und Alt

Tag, die Uhrzeit und die Projektteilnehmenden ändern grundsätzlich nicht. Meist sind fünf bis sieben ältere Leute und sechs Kinder mit dabei. Nur das Programm variiert. Einmal bastelten wir gemeinsam, einmal buken wir Zopfteigtiere, ein anderes Mal verbrachten wir die Stunde gemeinsam in der Parkanlage des Spitals. Die Treffen machen allen Teilnehmenden Spass. Inês aus unserer Gruppe zum Beispiel antwortet mit einem Daumen hoch, als ich sie frage, wie ihr das Projekt gefällt. Auch Leonie findet es schön, mit den älteren Leuten zu plaudern und zu spielen. Die Seniorinnen und Senioren haben ebenfalls Freude an den Treffen. Bei einigen wecken sie Erinnerungen an die eigene Kindheit, andere kommen ins Erzählen über ihre Zeit als Eltern oder Grosseltern.

Nachhaltige Wirkung

Die Kinder hingegen nehmen die gemachten Erfahrungen mit ins Kinderhaus und erzählen ihren Gspänli und ihren Eltern davon. Nun schlüpfen sie im freien Spiel des Öfteren in die Rolle einer alten Person und laufen zum Bespiel gebückt herum oder schieben eine imaginäre Gehhilfe vor sich her. Das Projekt dient eben auch dazu, den Horizont zu erweitern und das gegenseitige Verständnis zu stärken. Übergeordnet erkennt Hopp-la eine grosse Chancenvielfalt der generationenübergreifenden Bewegungsangebote. Die gesellschaftliche Integration und Toleranz wird gefördert, Altersstereotypen wird entgegengewirkt und emotionale und soziale Kompetenzen werden gefördert.

Text: Martina Portmann
Fotos: Nadine Monigatti

Hopp-la – Generationen in Bewegung

Hopp-la ist eine Stiftung. Ihr Ziel ist es, schweizweit die Generationen durch Bewegungs- und
Gesundheitsförderung zu verbinden. So sollen diverse gesundheitspolitische Herausforderungen angegangen werden wie zum Beispiel soziale Isolation oder Sturzproblematiken. Das Aktivierungsprojekt zwischen dem Kinderhaus Imago und dem Pflegezentrum orientiert sich am Hopp-la Tandem.
www.hopp-la.ch

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